SEPIA – Pigment seit der Antike im April.

SEPIA

Martin Stastnik

In Zeiten, als Stehplatzbesucher der Wiener Staatsoper sich bereits am Vorabend des großen Ereignisses vor der Stehplatzkassa einfanden, war Martin Stastnik mit wärmendem Schlafsack und Thermoskanne vor Ort. Aus der Liebe zur Oper wurde ein Beruf. Martin war von 1994 bis 2000 bei BMG Classics beschäftigt – zunächst in Wien bevor er nach Deutschland wechselte.

Es folgten diverse PR Agenturen mit Schwerpunkt Product-Placement und TV-Beiträgen. 2011 wurde er von Dieter Oehms zu dessen CD Label (von vielen Journalisten „Edel-Boutique“ genannt) OehmsClassics mit Sitz in München als Labelmanager International geholt. 2019 machte sich Martin als Künstlerberater selbständig.

Rafael Fingerlos, der am 27. April 2022 gemeinsam mit Sascha El Mouissi den Salon nichtgrau in der Casalunga gestaltet, wird von ihm betreut.

© Foto Sauter

Und was hat nun Sepia mit Oper zu tun? Eine Opernaufführung ist ein Gesamtkunstwerk aus Tönen, Worten und Bildern. Lange Zeit war der Farbstoff Sepia ein Pigment für Schriftsteller und Maler. Die römischen Schriftsteller Cicero und Persius benutzten vermutlich bereits Sepia als Tinte. Leonardo da Vinci verwendete den warmen Sepiaton gern für seine Skizzen. Viele sind heute noch erhalten.
Da ist er schon, der Zusammenhang: Denn nicht nur sind Bühnenbild und Libretto unverzichtbar bei einer Opernaufführung – jeder Opernliebhaber heutzutage wird sich zwangsläufig irgendwann Fotos aus der großen Vergangenheit dieser Kunstform angesehen haben. Und viele der sogenannten Schwarz-Weiß-Fotos wurden früher mit einem Sepiaton nachgefärbt.

Martin ist mit vielen Sängerinnen und Sängern von heute und damals bekannt und hat dadurch auch immer den anderen Blick hinter die Kulissen und Glitzerfassaden eines Sängerlebens. Fast 25 Jahre lang war er mit einer der ganz Großen ihres Fachs aus dem 20. Jahrhundert eng befreundet:

Inge Borkh, hier zu hören als Tosca
in einer Münchner Aufführung aus dem Jahr 1966

Inge Borkh, Vissi d´arte, Aufnahme 1966

Robert Stolz um 1915

Martin ist felsenfest davon überzeugt, dass Musik und sicher auch die Oper etwas Verbindendes, Verzeihendes und auch Versöhnendes mit sich bringen. Das, was der Einzelne vielleicht nicht leisten kann, wird in der Musik hörbar, erfahrbar und im Nachgang manchmal auch sichtbar.

Ein Beispiel:
1963 dirigierte Robert Stolz erstmals in Israel; auf dem Programm standen Walzer und Wiener Operetten. Entgegen der Warnungen der Veranstalter setzte er durch, dass die Arien auf Deutsch gesungen wurden. Damit brach er ein Tabu – und zugleich das Eis bei einem Großteil des Publikums. Viele Zuhörer, darunter Menschen, die gezwungen waren, Nazi-Deutschland im Krieg zu verlassen, weinten.

Nach dem ersten Konzert dankte Schimon Peres dem großen Musiker mit den Worten: „Sie haben uns von einem Trauma befreit“. Und das ist die versöhnende Komponente der Musik, wenn Worte, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausgesprochen werden können.

Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will, alles verschwindet.

Paul Cézanne